Erinnerungsbuch: Gedanken an das Stadionunglück teilen

Die Ausführungen von Christoph, Frank und Diana zeigen, dass Betroffene und Beteiligte das Stadionunglück in Halle unterschiedlich erlebt und verarbeitet haben.

Dass der Vorfall weiterhin viele Menschen bewegt, zeigten die Kommentare, die Menschen auf Facebook anlässlich des 20. Jahrestags des Unglücks 2017 unter einen Facebook-Post von TV Halle schrieben:

Erinnerungen und Gedanken zum Stadionunglück in Halle teilen

An dieser Stelle haben Sie die Möglichkeit, Gedanken und Erinnerungen an das Stadionunglück in Halle zu teilen.

  • Was verbinden Sie mit dem Stadionunglück in Halle?
  • Wie haben Sie den 26. September 1997 in Erinnerung behalten?
  • Wie hat sich das Unglück möglicherweise auf Ihren Alltag und Ihr Leben ausgewirkt?

Auch Unbeteiligte können gerne einen Eintrag verfassen.

  • Ist Ihnen das Stadionunglück in Halle als solches bekannt gewesen? Hatten Sie vorher schon vom Vorfall gehört?

Die persönlichen Gedanken sollen das Erlebte von Christoph, Frank und Diana ergänzen. Sie sollen einen Eindruck geben, wie weitere Betroffene das Unglück wahrgenommen und verarbeitet haben. Außerdem fördern sie das gemeinsame Erinnern an das Stadionunglück, die vier Verunglückten sowie die Hinterbliebenen.

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8 Einträge
Andreas Melzer, Bruder von Holger Linke aus Leipzig schrieb am 26. November 2024 um 14:40
Meinen Bruder rief ich 2 Tage vor dem Spiel an und fragte, ob wir es besuchen wollen, so wir es zu Beginn der Saison ins Auge gefasst hatten. Als damals 18-Jähriger, seit 7 Jahren in Leipzig wohnend, stand ich dem Fußball näher als mein 10 Jahre älterer Bruder - als gebürtige Hallenser wollten wir uns dieses besondere Spiel jedoch nicht entgehen lassen. Ich holte meinen Bruder in seiner Ammendorfer WG ab: der Weg zum Stadion, wo wir seinen alten Schulfreund und dessen Freundin trafen, zog sich mit vielen Umwegen, Besorgungen und Erledigungen in die Länge, weshalb wir später als geplant und überrascht von der Menschenmenge uns an eine Schlange weit vom Eingang entfernt anstellten. Es war eher eine riesige Menschentraube und mein Bruder wechselte plötzlich an eine vermeintlich kürzere Schlange einige Meter von uns anderen drei entfernt. Nach einigen Augenblicken entschloss ich mich, ihm zu folgen, um ihn nicht allein stehen zu lassen und blieb links von ihm in Blickrichtung Kassen stehen. Es bewegte sich wenig, ich schaute Richtung Stadion und machte mich langsam mit dem Gedanken vertraut, es nicht bis zum Anpfiff hinein zu schaffen. Ich dachte tatsächlich: "Das wird doch nichts". Vermutlich um nach den anderen beiden links hinter uns irgendwo in der Menschenmasse zu schauen, trat ich ein kleines Stück weiter nach links und drehte meinen Kopf nach links hinten - als es einen sehr lauten Knall gab, von dem ich dachte, es wäre ein sehr schwerer Böller gezündet worden. Ich blickte nach rechts und sah einen Haufen, in dem ich zumindest einen Menschen mit sehr schweren Verletzungen ausmachen konnte. Ich irrte kurz herum, bevor mich die Freundin des alten Schulfreundes meines Bruders fand. Wir wurden bald darauf weggedrängt und eine Reihe von Krankenwagen formierte sich. Wir drei warteten auf einer etwas erhöhten Wiese an der Kreuzung östlich des Stadions auf meinen Bruder, der in meinen Überlegungen nach rechts gesprungen und von unserer Position in die Wirren jenseits des Geschehens geraten sein musste. Wir warteten mehrere Stunden, zwischenzeitlich kehrte der Schulfreund zum Ort des Geschehens zurück, um Informationen zu bekommen bzw. meinen Bruder zu finden. Ich stand mit von mir gestreckten Armen regungslos da und begann zu realisieren, dass mein Bruder, der rechts von mir stand, wo es aus dem Nichts einen Knall und dann einen Haufen wohl aus Menschen gegeben hatte, überhaupt keine Zeit gehabt haben konnte, um wegzuspringen. Wir begaben uns schließlich in die WG meines Bruders, wo nicht sehr viel später die Polizei uns die Nachricht seines Todes überbrachte. Die restliche Nacht kümmerten sich meines Bruders Schulfreund und dessen Freundin bzw. die Freundin meines Bruders um mich, der ich außer einer blauen großen Zehe (entdeckte ich erst später und gibt mir bis heute die Gewissheit, dass ich tatsächlich unmittelbar am Ort des Geschehens mich aufgehalten haben musste) und Spuren an meiner Kleidung körperlich vollkommen unversehrt geblieben war. Es hat für uns keine Möglichkeit einer selbst herbeigeführten Rettung gegeben, wir hörten kein Pfeifen und es gab keinen Anlass, nach oben zu schauen. Banale, sonst unbedeutende Entscheidungen haben uns beide in den Moment gebracht, in dem der Fallschirmspringer wiederum durch seine Entscheidungen in die Menschen stürzte - mein Bruder ist tot, ich habe überlebt. Ich bin Angehöriger, Überlebender, aus dem Nichts Betroffener von einem Vorgang, der nahe der Einzigartigkeit angesiedelt ist und der unvermittelt durch externe Ursachen in einer Sekunde mein gesamtes Leben für immer beeinflusst hat. Die Empfindungen sind verwirrend, überlappen sich; die Hoffnung eines Verstehens oder Verarbeitens hat sich bis heute nicht erfüllt. Weder verdränge ich, noch mache ich mir intensiv Gedanken und spiele die Vorgänge immer wieder durch - es herrscht bis heute eine Fassungslosigkeit in mir, das Ereignis kommt immer mal wieder in meine Gedanken, aber ich kann es nicht richtig mit meinem Leben verbinden. Vielmehr arbeitet es im Unterbewussten und verursacht Verhaltensweisen, die ich lange Zeit überhaupt nicht verstanden habe. Durch lange therapeutische Begleitung bin ich mehr als ein Vierteljahrhundert später langsam in der Lage von selbst zu verstehen, warum und wie mein Verhalten mit dem Ereignis zusammenhängt. Ein solcher Erkenntnisdurchbruch vor einigen Tagen hat mich nun auch wieder hierher geführt - zu einem Ort der Erinnerung und Würdigung, für den ich sehr dankbar bin. Danke!
Anke Herbst, Schwester von Andre´Prinz aus Halle/Saale schrieb am 13. September 2023 um 3:12
Vielen Dank Frau Verena Böcker, dass Sie solch einen Eintrag im Namen meines Bruders hier hinterlassen haben. Ich, als seine Schwester fühle mich damit sehr verstanden und verbunden, möchte und kann bis heute nicht meine Wut und meine Trauer über das Verhalten der Stadt und sonstigem Verhalten nach dem Unglück ausdrücken, obwohl es schon 26 Jahre her ist. Ich möchte nur sagen, dass ich niemandem solch einen Verlust wünsche.
Dominik David Diebold aus Zürich schrieb am 23. Januar 2023 um 15:27
Dieses Unglück geschah noch vor meiner Geburt und auch mit Halle verbindet mich nichts. Trotzdem, die Geschichte geht mir sehr ans Herz, wie schnell eine heitere Stimmung und Atmosphäre in das absolute Chaos und Horror ausbrechen kann ... Ich wünsche allen Beteiligten, den Opfern und ihren Hinterbliebenen nur das beste im Leben. Ihr seid nicht alleine! Vielen dank für diese respektvolle und offene Aufarbeitung der Geschehnisse auf dieser Webseite! Herzliche Grüsse aus Zürich
Ulli Kliem aus Magdeburg schrieb am 26. Juni 2021 um 20:03
Ja, ich war der Stadionsprecher !!! Ein erwartungsvoller, aber dann ein sehr trauriger Tag, denn ich nie in meinem Leben vergessen werde ! Mein Mitgefühl ist natürlich immer bei den Angehörigen.
Verena Böcker aus Halle Saale schrieb am 23. Mai 2020 um 0:21
Wo bleiben die Namen der Opfer. Andre Prinz, ca. 700 Menschen nahmen an seiner Beerdigung teil, inklusive Freistellung von Schulen. Er wurde, laut Medien und Augenzeugen, direkt getroffen. Ich kann nicht schreiben, wie und das wir noch Masse auffinden mussten. 18 Jahre alt war er..... Er wurde getötet....
Dominik Diebold aus Zürich schrieb am 21. Oktober 2019 um 7:42
Ich kannte den Verein, die Stadt, doch das Unglück war mir völlig neu. Ich spreche den Beteiligten und Angehörigen ein tiefstes Beileid aus und hoffe, dass ihr alle über dieses furchtbare Erlebte hinwegkommt und euren Frieden findet.
Czock Manfred aus Halle schrieb am 26. September 2019 um 12:58
Normalerweise wäre ich um die Zeit des Unglücks an der Kasse gewesen. Irgendein Zufall ließ mich eine 1/2 Std.eher gehen,wie üblich. Nur dadurch habe ich es nicht unmittelbar erlebt oder schlimmer.Dafür bin ich dankbar und hoffe ,dass so etwas nie wieder passiert
Hofmann,Sebastian aus Halle/Saale schrieb am 26. September 2019 um 9:08
Auch mein Vater und Ich als 7-jähriger, standen draußen in der Reihe am Einlass ca. 7-8m weg von dem Unglücksort. Es pfiff am Himmel und man hat automatisch hoch geschaut und sah den Fallschirmspringer, danach ging die Hand meines Vaters vor mein Gesicht und mit Hilfe von Anderen Männern,die mich mit schützten, drängte er mich zur zeite .Es standen ja noch mehrere Hundert Leute dort in dem Bereich.Es war ein sehr prägendes und trauriges Ereignis, was man wahrscheinlich nie wieder vergessen wird. Man spricht noch sehr oft darüber im Familienkreis.